Die Coca-Cola-Zeitschriftenwerbung der 50er und 60er Jahre dokumentiert nicht nur damalige Entwicklungen im Bereich der deutschen Printwerbung, sondern hat darüber hinaus auch eine geballte Ladung Wirtschaftswunder-Zeitgeist zu bieten.
„Amerikas Coca-Cola-Gewaltige registrieren frohe Umsatzbotschaften aus Germany. Die westdeutschen Coca-Cola-Verkäufer sind erfolgreich ausgezogen, ihr verlorenes Absatzland zurückzuerobern“, vermeldet das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL in seiner Ausgabe vom 13. Juli 1950. Und in der Tat haben die Verkaufzahlen der dunkelbraunen Brause nach kriegsbedingter Unterbrechung und dem Neustart der Produktion bereits innerhalb kurzer Zeit wieder ihr vormaliges Niveau erreicht. Denn entgegen der weit verbreiteten Einschätzung, dass sich die „erfrischende Pause“ hierzulande erst in den Nachkriegsjahren durch Coca-Cola trinkende amerikanische Besatzungssoldaten etabliert habe, nimmt die Erfolgsgeschichte des „unnachahmlichen koffeinhaltigen Erfrischungsgetränkes“ schon gut zwei Jahrzehnte zuvor ihren Lauf. Ausgangspunkt ist die Ruhrgebietsmetropole Essen, in der am 8.April 1929 mit Hilfe einer „halbautomatischen Abfüllmaschine mit nur sechs Füllstellen“ die erste Flasche auf deutschem Boden produziert werden kann. Größere Kapazitäten waren zu Anfang auch gar nicht beabsichtigt, denn „wer konnte wissen, ob dieses neuartige Getränk überhaupt jemals in unserem Land Gefallen finden würde, wo doch bekanntlich trinkfeste Männer von alters her die Limonaden verächtlich über die Schulter ansahen?“ erinnert rückblickend eine spätere Coca-Cola-Jubiläumsschrift an die Zweifel der Anfangszeit. Jedenfalls werden die fertigen Flaschen kistenweise mit Hilfe des aus einigen wenigen Pferdewagen bestehenden „Fuhrparks“ an Wirtschaften, Lebensmittelgeschäfte oder Trinkhallen ausgeliefert und von dort an die durstigen „Kohlenpott“-Bewohner weiterverkauft. Zwar „findet der herb-prickelnde Geschmack beim Probetrunk nicht immer Anklang“, doch schon bald wird auch an anderen Orten zunehmend Interesse an dem neuartigen Getränk bekundet.
1952
Da Kühlgeräte in deutschen Privathaushalten noch die Ausnahme sind, ist es zudem etwas besonderes, dass Coca-Cola nach Vorgabe des Konzerns „nur eiskalt“ serviert werden darf. Ein Umstand, der bei den Verkäufern der Firma sicherlich auf wenig Gegenliebe gestoßen ist, da diese zur Gewinnung von Neukunden stets eine mit Zinnblech ausgeschlagene, eisgefüllte Kühlbox mitführen mussten, die aufgrund ihres immensen Gewichts als „Seufzertasche“ berühmt berüchtigt war. Nicht zuletzt dank aufwendiger begleitender Werbemaßnahmen mit plakativen, Pin-up-orientierten Motiven entwickelt sich das Geschäft in der Folge überaus gut und nach fünf Jahren sind landesweit verteilt bereits weitere Abfüllbetriebe im niederrheinischen Emmerich sowie in Frankfurt, München, Leipzig und Hamburg hinzugekommen. Diese besitzen den Status selbstständig arbeitender Konzessionäre, die als Grundstoff für ihre Produktion lediglich einen fertig gemischten „Geheimextrakt“ mit der Bezeichnung „7-X-Konzentrat“ vom Coca-Cola-Mutterkonzern aus Atlanta beziehen, der zuvor noch von der Essener Tochtergesellschaft mit diversen vor Ort beschafften Kräuter- und Fruchtauszügen angereichert wurde. Von den Abfüllern wird das Sirup-Konzentrat dann schließlich durch Zugabe von Wasser, Zucker und Kohlensäure zur trinkfertigen Brause aufbereitet. Der zu diesem Zweck verwendete Sirup hat allerdings mit der ursprünglichen, erstmals 1886 in Atlanta vom Drogisten John Pemberton als Mittel gegen Müdigkeit und Kopfschmerzen feilgebotenen Mixtur aus Wein, Kolanüssen und Kokablättern nicht mehr viel gemeinsam. Welche Bestandteile inzwischen im Einzelnen darin enthalten sind, ist natürlich eines der bestgehüteten Geheimnisse überhaupt, von dem immer mal wieder behauptet wird, es wäre geknackt. Wie auch immer - für den Geschmack verantwortlich sind jedenfalls offenbar Zitronen-, Orangen- und Zimtöle sowie Vanille, für die saure Note sorgt Phosphorsäure und für die Süße, zumindest in der klassischen Variante, jede Menge Zucker.
Doch zurück zur Coca-Cola-Firmenphilosophie und der bewussten Trennung zwischen Konzentratherstellung und –weiterverarbeitung: In der Essener Zentrale möchte man per Werbeblatt gerne den Eindruck vermitteln, dass diese Aufgabenteilung gänzlich uneigennütziger Natur ist, „um den auf der ganzen Welt geltenden Grundsatz, das Geschäft nicht allein zu machen, auch in Deutschland nicht zu durchbrechen“. Der Wirtschaftsjournalist Willi Bongard vermutet später im Rahmen eines für DIE ZEIT verfassten Firmenportraits jedoch auch noch einen anderen Beweggrund: „Das Prinzip der Dezentralisation entspringt nicht etwa einer besonders mittelstandsfreundlichen Haltung, sondern hat seinen Grund in einem physikalischen Tatbestand, nämlich der Schwerkraft. Die macht sich je Kiste (24 Normalflaschen à 0,2 Liter Inhalt) mit 18,6 Kilogramm aus. Der Inhalt macht demgegenüber nur 4,9 Kilogramm aus, fällt also buchstäblich nicht ins Gewicht. Es würde sich also kaum verlohnen, Coca-Cola zentral herzustellen und von einem Ort in alle Welt – bis hin zum letzten Tante-Emma-Laden zu transportieren.“ In den 1930er Jahren jedenfalls gestaltet sich dieses Konzept so erfolgreich, dass auch die Machtergreifung der Nationalsozialisten erst einmal keinen Einfluss auf das Geschehen nimmt und der Geschäftsführer der deutschen Coca-Cola-GmbH, Max Keith, in mehreren aufeinander folgenden Jahren sogar Verdoppelungen der jeweiligen Umsätze bilanzieren kann. Trotz Versuchen der Konkurrenz, den Konzern bei den Nazis zu diffamieren, bilden die Olympischen Spiele 1936 in Berlin einen vorläufigen Höhepunkt in der Verkaufsstatistik und die als Hemmschuh gedachte Maßnahme, dass sämtliche Flaschen mit dem Aufdruck „coffeinhaltig“ zu kennzeichnen seien, sollte sich aufgrund eines zunehmenden Mangels an Kaffee letztlich sogar als verkaufsfördernd erweisen. Erst 1942 muss die Produktion eingestellt werden, weil die Amerikaner wegen der sich zuspitzenden politischen Situation nicht mehr gewillt sind, den nötigen Sirup-Grundstoff nach Deutschland zu liefern. Dass die Fabrikationsanlagen trotzdem nicht zum Stillstand kommen, ist Keiths unternehmerischer Weitsicht zu verdanken. Bereits zwei Jahre zuvor hatte er mit Fanta (abgeleitet von fantastisch) ein Ersatzgetränk auf Molkebasis entwickelt, das nun vorübergehend den Betrieb aufrechterhält.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges verschlechtert sich die Versorgungslage sogar noch und es besteht Mangel an nahezu allem, so auch an Zucker, der strengstens rationiert werden muss. Unberührt davon bleiben jedoch acht im Schnellverfahren in der amerikanischen Besatzungszone errichtete Coca-Cola-Fabriken, die die Versorgung der hier stationierten Soldaten gewährleisten sollen. Erst als 1949 die Rohstoffe endlich in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen, kann auch die deutsche Bevölkerung wieder beliefert werden. Die Tatsache, dass Coca-Cola zu dieser Zeit trotz mehrjähriger Verkaufsunterbrechung immerhin noch an 18. Stelle der Markenprodukt- Bekanntheitsskala liegt, zeigt den Werbern, dass sie nicht in jeder Beziehung von vorne beginnen müssen. „Coca-Cola ist wieder da!“ verkünden daher allenthalben die Plakate und „Wirtschaften und Erfrischungsbuden holen ihre verrosteten Reklameschilder wieder aus dem Keller und polieren die Glamour-Girls auf Hochglanz. Neue Coca-Cola-Mädchen gibt es vorerst aber nicht“, weiß 1950 wiederum DER SPIEGEL. „Die amerikanischen sind zu teuer und deutsche müssen erst noch erfunden werden. Essens dreiköpfige Werbeabteilung für Deutschland hat sich nach ergebnislosem Suchen einer landeseigenen Werbe-Venus („die Entwürfe der Graphiker waren zu surrealistisch und die Maler sind zu künstlerisch für so was“) vorläufig für einfache Metallschilder entschieden, kreisrund und rot.“ Ergänzendes zum Thema gibt es in einer Coca-Cola-Werbeschrift zu erfahren: „Damit der Konsument auch weiß, wo er „Coca-Cola“ bekommt, bringt der Fahrverkäufer an allen Verkaufsstellen eine Außenwerbung an, jene lustigen roten Punkte, die den Weg zur erfrischenden Pause mit „Coca-Cola“ finden helfen. Das ist ein kleiner, aber guter Dienst für alle unsere guten Freunde.“ Doch nicht nur die eigene Werbung trägt zur steigenden Beliebtheit des amerikanischen Kultgetränkes bei, sondern auch das werbliche Unvermögen der deutschen Konkurrenz in Verbindung mit diversen zeitgenössischen Lebensmittelskandalen. „Wie wirbt man für Getränke?“ ist ein 1950 erschienener Artikel des Werbefachblattes „Graphik“ betitelt, der in der Folge viel sagenden Aufschluss über die damaligen Verhältnisse auf diesem heiß umkämpften Sektor gibt und zudem das Coca-Cola-Erfolgsrezept – mit spürbarem Neid ob dessen Professionalität – gleich zu Beginn auf den Punkt bringt: „Bei den alkoholfreien Getränken fehlt es vor allem an einer tragfähigen herstellerischen und werblichen Idee, etwa nach dem Vorbild von Coca-Cola…Vom Ursprungs-Land, von der Entstehung und Entwicklung, von der Geschichte, von den Grundstoffen, ihrer Mischung und Konzentration müsste man bis zu den Versand- und Vertriebsmitteln und dem hohen Aufwand für Planung und Werbung im weitesten Sinne vordringen. Das Material dafür ist vorhanden. Was aber wäre damit gewonnen, solange die einheimische Getränke-Wirtschaft kein Erzeugnis herausbringt, das bei verwandter Wirkung dem deutschen Gaumen mehr zusagte als das amerikanische Getränk? Das Preisschleudern und Panschen bei alkoholfreien Getränken, die Beigabe von chemischen Stoffen und Sacharin, wo ein naturreines Getränk erwartet wird, haben das Vertrauen der Käufer untergraben.“ Bei Coca-Cola ist man sich dieser Stimmung offensichtlich bestens bewusst und legt daher ganz besonderen Wert auf vertrauensbildende Maßnahmen. Unter dem Motto „Das offene Fenster“ erhält jede neu gebaute Abfüllfabrik „ein großes Schaufenster, das dem Publikum bei Tag und bei Nacht einen Blick in den Produktionsraum gestattet. Die Abfüllung findet also im wahrsten Sinne des Wortes in der Öffentlichkeit statt“. Im weiteren Verlauf eines entsprechenden Werbeheftes werden „strahlend weiße Produktionsräume mit blitzblanken Maschinen“ in Wort und Bild vorgestellt: „Der Konsument soll sich darauf verlassen dürfen, dass sein Vertrauen in die Sauberkeit und Hygiene bei der Abfüllung niemals enttäuscht wird.“
So steht denn auch in einer der frühesten in den 50ern zu entdeckenden Zeitschriftenwerbungen eine integre, Vertrauen erweckende und über jeden Zweifel erhabene Persönlichkeit im Mittelpunkt: Der Weihnachtsmann!
„Wohlverdient hat auch er eine kurze Pause zwischendurch. Er weiß, was Millionen Menschen täglich trinken, muss gut und bekömmlich sein.“ 1931 taucht „Santa Claus“ erstmals in der amerikanischen Coca-Cola-Werbung auf. Der Zeichner Haddon Sundblom ließ sich bei seinem Werk durch das großväterlich-gütige Antlitz eines pensionierten Firmenangehörigen inspirieren und verpasste seiner Figur schließlich als Krönung einen Mantel in den traditionellen Coca-Cola-Farben rot und weiß. Entgegen der heute vielfach zu lesenden Meinung, dass der Konzern damit den Weihnachtsmann in dieser Form „erfunden“ hätte, tauchte dieser an anderer Stelle in ähnlichem Outfit aber auch schon früher auf. Immerhin dürften die jährlich wiederkehrenden und mittlerweile regelrecht zelebrierten Werbekampagnen des Getränkeriesen jedoch nicht unerheblich dazu beigetragen haben, dass uns die Version des „Coca-Cola-Weihnachtsmanns“ inzwischen die Vertrauteste von allen geworden ist. Hintergrund des Ganzen ist aber wieder mal ein Konsumtechnischer: War der Genuss von Erfrischungsgetränken für die meisten Menschen lange Zeit auf die warmen Monate des Jahres beschränkt, sollte „das herzhafte Labsal für jedermann“ bei den Konsumenten durch Slogans wie „Durst kennt keine Jahreszeit“ oder eben weihnachtliche Werbung auch in den Herbst- und Wintermonaten etabliert werden.
Über das Motiv hinaus hat die beschriebene Anzeige aus dem Jahr 1951 für damalige Verhältnisse eine Besonderheit zu bieten, die heute eine absolute Selbstverständlichkeit darstellt: Sie ist in Farbe abgedruckt! Zu finden in einer Ausgabe von „Das Beste“ aus Readers Digest bot genanntes Magazin durch eine Vielzahl zahlungskräftiger Werbekunden aus den USA schon früh die Möglichkeit dazu, während vielen anderen Zeitschriften noch die finanziellen und daher auch die technischen Vorraussetzungen fehlten. Folglich waren dort in der Regel nur einfarbige Anzeigen im Schwarz-weiß- oder Braundruck zu finden. Zwar konnten in einigen Fällen bereits die Umschlagseiten farbig gestaltet werden, aber für die Seiten im Innenteil standen beispielsweise der Brigitte ab Mitte 1952 lediglich zwei Farben zur Verfügung, zwei Jahre später waren es drei und erst 1956 wurde ein Vierfarbdruck in größerem Umfang möglich. Zudem gibt man im selben Jahr den „Rücktitel als Anzeigenplatz frei“ und wirbt damit seinerseits in Werbefachzeitschriften: „Neben den bereits bestehenden Möglichkeiten einer farbigen Inseration im Inneren des Blattes bietet Brigitte der werbenden Wirtschaft als Neuestes die Veröffentlichung mehrfarbiger ganzseitiger Anzeigen auf der vierten Umschlagseite.“
Zu Beginn der 50er geht es für die Werbetreibenden daher noch vorrangig darum, aus den vorhandenen Möglichkeiten das Beste zu machen. „Um aber überhaupt die Beachtung und Aufmerksamkeit des Lesers zu erregen, bedarf die Anzeige unbedingt einer entsprechenden Gestaltung“, fordert daher die zeitgenössische „Gebrauchsgraphik-Fibel“, „und zwar einer graphisch sehr überlegten Gestaltung, da bei ihr eine zusätzliche Unterstützung durch Farbe nur in einem sehr geringen Prozentsatz der Fälle möglich ist.“ Bei Coca-Cola setzt man dies 1952 mit einer nicht sehr originellen, dafür aber formal klar gegliederten Anzeigenserie um, die durch ihre immer gleiche Grundstruktur einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Sich abwechselnde Bilder im oberen Drittel werden im Mitteldrittel mit kurzen, ebenso launigen wie belanglosen Texten beschrieben. Der untere Teil ist für das Produkt selbst sowie den markanten Punkt mit dem Firmenlogo reserviert, in den der Betrachter nach einiger Zeit trotz schwarz-weißer Abbildung die rote Farbe regelrecht hineinzusehen scheint. Als Blickfang dienen Motive, die in der Mehrheit alltägliche Situationen aus dem Arbeitsleben abbilden. Überhaupt bildet die Arbeiterschaft eine zu dieser Zeit von der Coca-Cola-Werbung ganz gezielt ins Visier genommene Bevölkerungsgruppe. Warum dies so war, verrät eine zeitgenössische Kaufkraftanalyse im Werbe-Fachblatt Graphik: „Die breite Schicht des guten alten Mittelstandes, auf den Verlass in allem war, gibt es nicht mehr. Was noch davon übrig geblieben ist oder mit verwandter Grundhaltung neu entsteht, sorgt sich ab und spart. Sehr viel lockerer sitzt der arbeitenden Bevölkerung das Geld, besonders beim Einkauf von Nahrungs- und Genussmitteln. Nicht in großen, aber in unzähligen kleinen Beträgen.“ Also gönnen sich in der Coca-Cola-Werbung ein LKW- und ein Motorradfahrer die „erfrischende Pause“ an der Raststätte, für eine Sekretärin ist eine „eisgekühlte Coca-Cola die richtige Erfrischung“ im Büro und „wohlverdient hat auch die geplagte Hausfrau eine kurze Pause zwischendurch“. Das besonders herausgestellte „wohlverdient“ bekräftigt jeweils noch einmal den bereits durch die Zeichnungen ohnehin schon entstandenen Eindruck, dass die dargestellten Personen nicht etwa dem Müßiggang frönen, sondern bereits Anstrengendes geleistet haben. Anzeigen wie diese treffen den Nerv der Deutschen, die sich in den Nachkriegsjahren in die Arbeit gestürzt haben, um den Wiederaufbau voranzutreiben und um zugleich in einer Art kollektiver Ablenkung das unselige Geschehen der Kriegsjahre wenn nicht vergessen, so denn zumindest verdrängen zu können.
Holzschnitt-Charakter hat eine vom vielfach bei Plakatwettbewerben ausgezeichneten Bad Homburger Maler und Graphiker Willy Faltin gestaltete Anzeigenreihe, die in den frühen 50ern in Frankfurter Tageszeitungen zu finden ist. Ansichten des lokalen Abfüllbetriebes, der dazugehörige firmeneigene Fuhrpark und sogar die Momentaufnahme einer Restaurantbelieferung werden durch Faltins eindrucksvolle Zeichentechnik zu kleinen Kunstwerken veredelt.
Zudem nutzen die Coca-Cola-Verantwortlichen den als O-Ton eines Verkaufsfahrers formulierten Begleittext zu einem Statement in eigener Sache: „Die allgemeine Beliebtheit des unnachahmlichen Erfrischungsgetränks und meine eigene Erfahrung – ich trinke nämlich auch ’ne ganze Menge davon – sind der beste Beweis, dass all die Gerüchte, die man hin und wieder über Coca-Cola hört, lächerlicher Unsinn sind.“ Hinter dieser Anspielung verbirgt sich eine Reaktion auf die von der Konkurrenz ins Leben gerufenen „Koordinationsstelle für deutsche Getränke e.V.“, deren einziger Gründungszweck offenbar darin bestand, durch haarsträubende Veröffentlichungen über angebliche gesundheitsgefährdende Eigenschaften Coca-Colas den Ruf des amerikanischen Unternehmens zu untergraben. Die in medizinischen Fachblättern und Gastronomie-Zeitschriften erscheinenden Beiträge entpuppen sich jedoch überwiegend als nicht haltbar, sodass die ominöse Vereinigung bei einem von Max Keith angestrebten Gerichtsverfahren den Kürzeren zieht, den geforderten Schadenersatz nicht zahlen kann und sich schließlich auflösen muss. Immerhin aber machte die Sache den Coca-Cola-Verantwortlichen offensichtlich derart zu schaffen, dass sie sich 1953 veranlasst sahen, für eine gewisse Zeit das Firmenlogo zu ändern. Statt des roten Punktes erscheint in einigen Anzeigen nun ein Signum mit der ebenfalls ein wenig über das Ziel hinausschießenden Behauptung „Das Gute setzt sich durch. Coca-Cola – rein und gesund.“
Ebenfalls zur Vertrauenswürdigkeit beigetragen haben dürfte die Vergabe von Konzessionen an prominente Persönlichkeiten wie den umtriebigen Geschäftsmann und ehemaligen Boxer Max Schmeling, der seine Coca-Cola der Überlieferung nach am liebsten mit Milch gemixt zu sich nahm. Im Versuch, dem Getränkekonzern zu schaden, setzte übrigens Anfang der 60er Jahre ein gewisser Herr Helmut Bickel noch mal eins drauf, indem er mit Hilfe der von ihm herausgegebenen Hamburger Wochenpost und sogar mit auf Schallplatte gepressten Schmähliedern eine Art Privatkrieg gegen den Getränkeproduzenten führte. Und obwohl auch er einen Prozess nach dem anderen verlor, gestaltete sich die Sache für ihn letztlich lukrativ, da etliche Mineralbrunnen- und Limonadenkonkurrenten seine Aktionen mit Abonnementbestellungen in zeitweilig fünfstelliger Höhe unterstützten.
Doch zurück zur Zeitschriftenwerbung: Während zu Beginn der 50er Jahre in der amerikanischen Coca-Cola-Reklame schon längst wieder eine sich vergnügende Freizeitgesellschaft in den Mittelpunkt gerückt wird, bildet hierzulande eine 1952 in der Frauenzeitschrift Constanze zu entdeckende Anzeige mit einem sich sportlich betätigenden Paar noch die Ausnahme. Auch versäumt es der begleitende Text nicht, zu erwähnen, dass Coca-Cola nicht nur bei Spiel und Sport, sondern ebenso „nach jeder körperlichen oder geistigen Anstrengung“ für „einen Augenblick der Entspannung sorgt.“ Um einmal nicht arbeiteten zu müssen, braucht es augenscheinlich einen offiziellen Anlass. Und den bietet in Deutschland natürlich der Karneval.
„Frisch muss man nämlich bleiben, um die Freuden dieser tollen Tage so recht von Herzen zu genießen“, heißt es in einem entsprechenden Anzeigentext, weshalb sich auch eine dazugehörige tief dekolletierte Schönheit im Luftschlangen- und Konfettiregen „selbstverständlich“ mit einer Flasche Coca-Cola erfrischt. Das beschriebene Beispiel steht für die zu dieser Zeit immer größere Verbreitung findenden Zweifarbendrucke, die zwar höhere Kosten verursachen, dafür aber bei geschicktem Einsatz der zusätzlichen Farbe einen deutlich größeren Auffälligkeitsgrad garantieren. Insbesondere das knallrote Coca-Cola Firmenlogo vor dezent koloriertem Hintergrund springt dem Betrachter förmlich ins Auge. Dass aber in den frühen 50er Jahren selbst die Werbeabteilung von Cola-Cola das Geld nicht mit vollen Händen ausgeben kann, zeigt eine 1954 erschienene Reklame, die desgleichen „die fröhlichste Zeit des Jahres“ zum Thema hat. Auch hier wurden lediglich zwei Farben verwendet, obwohl, wie eine zeitgenössische Postkarte mit identischem Motiv belegt, diese Vorlage ebenfalls „bunt“ zur Verfügung gestanden hätte und in der veröffentlichenden Zeitschrift „Das Beste“ von den technischen Voraussetzungen her ein mehrfarbiger Abdruck durchaus möglich gewesen wäre. Ein Jahr später gibt’s dann Karneval „zum Dritten“, diesmal endlich komplett in Farbe und mit einer für Coca-Cola-Werbung untypischen, da vor erotischer Spannung geradezu knisternden Darstellung. Obwohl er seine Flasche mit dem erfrischenden Inhalt gerade trinkbereit zum Munde führt, ist der zeichnerisch in Szene gesetzte Karnevalist mit Augen und Gedanken in diesem Moment offensichtlich „ganz woanders“.
Auch wenn viele Coca-Cola-Anzeigen aus dieser Zeit recht „amerikanisch anmuten“, scheinen dennoch die meisten eigens für den westeuropäischen und zumindest die zuletzt genannten speziell für den deutschen Markt konzipiert worden zu sein. In der Regel ist dies jedoch sehr schwer einzuschätzen, da von Werbeagenturen naturgemäß großer Wert darauf gelegt wird, eine möglichst große Zielgruppe anzusprechen und man somit bemüht ist, alle im Bild zu erkennenden Accessoires so weit es geht unverbindlich und geschmacksneutral zu halten. Mitunter schleichen sich dann doch Details ein, die Anhaltspunkte für eine Einordnung bergen. So sind zum Beispiel bei einem abgebildeten Küchenherd die Bedienelemente US-untypisch an der Vorderfront angeordnet und in einer Anzeige aus den 60ern gibt es für den Betrachter im Hintergrund als dekorativen Wandschmuck drei Wappen schwedischer Provinzen zu entdecken.
Bei einer weiteren Reklame, die einen Sportreporter beim Kommentieren eines Sportereignisses abbildet, vermischen sich die Indizien. Während ein im Hintergrund zu erkennendes Stadion aufgrund seiner großzügigen Dimensionen wohl ein amerikanisches Vorbild hat, kommt ein die Zeichnung umschließender asymmetrischer roter Rahmen wie ein Vorbote der wenige Jahre darauf auch in der hiesigen Werbung sehr beliebten Nierenform daher.
Ist Coca-Cola in Deutschland bis dahin bereits sehr gut im Geschäft, kann die Essener Tochtergesellschaft gegen Mitte der 50er noch einmal erhebliche Marktanteile hinzu erobern. „Schuld“ daran ist ein neuer Werbslogan, der dermaßen gut ankommt, dass er schon bald in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeht. „Mach mal Pause“ lautet die ebenso einfache wie geniale Schöpfung, die sich insbesondere in Verbindung mit einer einprägsamen Radiowerbung in den Köpfen der Menschen verankert. „Da der Slogan nach Silbenzahl und Rhythmus auf die Wort-Marke Coca-Cola abgestimmt war, konnte man mit den zweimal vier Silben „Mach mal Pause – Coca Cola“ ein einprägsames akustisches „Plakat“ schaffen. Die Melodie wurde nicht eigentlich komponiert, sondern sozusagen von der Straße aufgelesen. Sie entsprach dem vom Straßenhandel her vertrauten „Hei-ße Würst-chen“ oder „Il-lus-trier-te“. (Bongard – Das große Geschäft mit der kleinen Pause). Zusätzlicher Clou der Radiospots war ein einleitender Pausenpfiff, der bald so populär wurde, dass er von Bauarbeitern bis hin zu Schulkindern als weit hörbares Signal zur Arbeitsunterbrechung übernommen wurde. Verantwortlich für „Mach mal Pause“ zeichnet mit dem Essener Hubert Strauf eine der prägenden Persönlichkeiten der deutschen Nachkriegswerbung, aus dessen Feder ebenso Klassiker wie „Pril entspannt das Wasser“ oder „Herta, wenn’s um die Wurst geht“ stammen. Dass die Werbung zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen steckt, offenbart Straufs 1959 erschienenes Lehrbuch „Die moderne Werbeagentur in Deutschland“, das erst einmal Grundsätzliches über die Konzeption solcher Kampagnen vermitteln möchte: „Die moderne Werbetechnik erfordert eine tragende Idee, einen „roten Faden“, an dem sich der Werbeempfänger bei jeder neuen Werbebotschaft für das Produkt orientieren kann…Meist wird entweder ein einprägsames, ansprechendes Bildmotiv dieses Kernstück bilden oder eine kurze, wirksame Werbeaussage, die man mit dem auch bei uns allmählich eingebürgerten Begriff Slogan bezeichnet.“ Eindeutig auf letzterem basiert der übergroße Erfolg der Coca-Cola-Kampagne, Straufs Idee befindet sich voll auf der Höhe der Zeit. Im mittlerweile wirtschaftswunderlich erblühenden Deutschland arbeiten die Menschen nach wie vor viel und nicht selten auch zu viel, was häufig zu Lasten der Gesundheit geht. Zeugnis darüber legt 1955 ein Büchlein mit dem Titel „Angina Temporis“ ab, in dem „ein Wirtschaftler und ein Arzt“ sich Gedanken über „Zeitnot, die Krankheit unserer Tage“ machen: „Wir leben in einer Welt ohne Rast und Ruh. Ständig werden uns neue Erfindungen präsentiert, die Arbeit und Zeit sparen, aber mit jeder neuen Erfindung scheint unsere Zeit knapper zu werden“ Bereits im ersten Erscheinungsjahr mehrfach neu aufgelegt, stößt der Band auf großes Leserinteresse, indem er offenbar vielen arbeitswütigen Deutschen und ihren Familien aus der Seele spricht: „Es scheint allmählich eine der ernstesten Zivilisationskrankheiten dieses Jahrhunderts zu werden, dass jeder ständig in Eile ist…Aus aller Munde tönt es unisono: Keine Zeit.“
„Mach mal Pause“ lag also förmlich in der Luft und die Werbung brauchte es „nur“ aufzugreifen.
Derweil der Werbespruch in aller Munde ist, präsentiert sich die dazugehörige Zeitschriftenreklame vergleichsweise unspektakulär und mehrheitlich in schwarz-weiß. Hubert Straufs Slogan entwickelte sich zu einem solchen Selbstläufer, dass eine farblich auffällige (und damit kostspielige) optische Unterstützung in den Anzeigen der Illustrierten von Seiten Coca-Colas offensichtlich nur in Ausnahmefällen für notwendig erachtet wurde.
Sind die in diesem Rahmen geschilderten Pausensituationen anfangs noch wie gehabt auf das Arbeitsleben bezogen („Ein paar Sekunden die Augen schließen, den Körper recken und entspannen und dazu die wohltuende Erfrischung genießen“), thematisieren sie in den folgenden Jahren immer mehr die Freizeit, die den Deutschen mittlerweile mit steigender Tendenz zur Verfügung steht, da „die Achtundvierzigstundenwoche fast schon die Regel“ ist. Also fährt ein junges Paar mit dem Motorroller „flott und bequem“ ins Grüne, wo es dann „fernab vom Alltagsgetriebe picknicken“ will und eine Bootfahrt erlaubt „Ferien vom Ich“, gibt neuen Schwung und „schenkt gute Laune für die ganze Woche“. Gute Dienste leistet dabei mit der „handlichen, leichten und unverwüstlichen Kühltasche aus Plastikmaterial“ „ein neuer Verkaufshelfer“, in dem bis zu zehn Flaschen Coca-Cola stundenlang kalt bleiben.
Zur Mitte der 50er machen die „Coca-Cola-Hausmitteilungen“ auf ein „neues Phänomen“ aufmerksam: „Das Fernsehen erobert den Feierabend, man bleibt zu Hause“. Getreu der Konzernphilosophie „neue Lebensgewohnheiten ergeben neue Märkte“ sind die Werber fortan bestrebt, die Brausefans auch zunehmend in deren eigenen vier Wänden zum Konsum des Erfrischungsgetränkes zu animieren. Kein leichtes Unterfangen, da nach wie vor der möglichst „eiskalte Genuss“ beworben wird, im Jahr 1955 aber erst in gerade einmal 10 Prozent der deutschen Privathaushalte ein elektrischer Kühlschrank zum Inventar gehört und laut Statistischem Jahrbuch nur bei fünf Prozent der Befragten „Cola-Getränke im Haus vorhanden“ sind Als sich gegen Ende 50er im Zuge des Wirtschaftswunders dann aber immer mehr Menschen auch kostspieligere Anschaffungen erlauben können, wird die dahingehende Werbung noch einmal forciert. Bei einem beworbenen „kleinen Familienfest“ vor dem Fernseher im heimischen Wohnzimmer „dürfen die Kinder ein wenig länger aufbleiben und Mutti spendiert dazu Coca-Cola“.
Aufgrund der zu erwartenden Schwierigkeiten, die durch Fernseh- und Koffeinkonsum stimulierten Sprösslinge anschließend ins Bett zu kriegen, dürfte dies jedoch für „Mutti“ sicherlich der erste und zugleich auch letzte Versuch gewesen sein, auf diese Art und Weise eine familiär-gemütliche Feierabendatmosphäre zu schaffen.
Mit Abstand am häufigsten zu entdeckendes Anzeigenmotiv aber sind Restaurantszenen, bei denen dem Betrachter unwillkürlich der Ausdruck „gepflegte Gastlichkeit“ in den Sinn kommt.
Dass das ehemalige Pausenerfrischungsgetränk mittlerweile in der Tat gesellschaftsfähig geworden ist, wird unter anderem durch seinen von den Abgeordneten rege in Anspruch genommenen Ausschank im Bonner Bundeshaus unterstrichen.
Zu Beginn der 60er hält man bei den Coca-Cola-Verantwortlichen „Mach mal Pause“ für nicht mehr zeitgemäß, weil ausgiebige Arbeitspausen infolge florierender Konjunktur und annähender Vollbeschäftigung mittlerweile eine Selbstverständlichkeit geworden sind.
Da aber Nachfolger wie „..auch eine..“ oder „Besser geht’s mit Coca-Cola scheinbar nicht annähernd so gut ankommen wie der Vorgänger, ist „Mach mal Pause“ unter dem offensichtlichen Motto „doppelt hält besser“ noch bis zum Ende der 60er Jahre auf etlichen Anzeigen als eine Art unterstützender „Co-Slogan“ zu entdecken. Die Motive der 60er besitzen nicht mehr die Ecken und Kanten ihrer Vorgänger, da sie mittlerweile weltweit eingesetzt werden und folglich unverbindlicher in ihren Bildaussagen sein müssen, bieten aber jede Menge 60er-Jahre-Lifestyle, sind hübsch anzuschauen und daher sicherlich ebenfalls sammelnswert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Coca-Cola Werbung ab Ende 1951 wieder in deutschen Zeitschriften zu finden, besonders häufig wird der Interessierte in „Das Beste“ von Readers Digest sowie anderen Magazinen mit hohen Auflagen und einem daher großen Werbeanteil wie beispielsweise Constanze oder Bunte fündig. Es gibt jedoch kaum eine Illustrierte, in der im Laufe der Zeit nicht irgendwann einmal eine Coca-Cola Anzeige abgedruckt wurde. Etliche Motive wurden auch mehrfach „verwurstet“ und finden sich identisch oder in leicht abgewandelter Form auf Faltblättern oder auch den jährlich herausgegebenen Taschenkalendern im Spielkartenformat wieder. Darüber hinaus schaltete die Essener GmbH in Telefonbüchern und Programmheften eine unüberschaubare Zahl von graphisch recht einfach in Szene gesetzten Inseraten, deren Darstellungen in letztgenannten häufig einen inhaltlichen Bezug zur jeweiligen Veranstaltung aufweisen. Im Vergleich zur Plakatwerbung oder zu in amerikanischen Zeitschriften zu entdeckenden Anzeigen ist die deutsche Illustrierten-Reklame sicherlich weniger bunt und spektakulär. Dafür kann sie aber, insbesondere in den 50er Jahren, mit aussagekräftiger Authentizität sowie, durch ihre schlichte, schwarz-weiße Gestaltung bedingt, mit einem überaus reizvollen antiquierten Charme aufwarten.