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DDR-Versandhauskataloge

Auf die „Welt-Messestadt“ fällt die Standortwahl, weil Leipzig zentral liegt, traditionell über einen guten Namen als Handelsstadt verfügt und zudem eine für den Zweck geeignete, weil verkehrsgünstige Infrastruktur vorweisen kann. Doch die praktische Umsetzung der an und für sich gut durchdachten Vorplanung bereitet Schwierigkeiten. Da aus Kostengründen keine optimal geeigneten Räumlichkeiten organisiert werden können, landet das Warenlager des neuen Vertriebssystems ausgerechnet im fernab vom Verladebahnhof gelegenen Leipziger Vorort Markkleeberg, sodass zukünftige Lieferschwierigkeiten bereits vor der offiziellen Eröffnung vorprogrammiert scheinen.

 

                                          
   

 

 

 Nichts zu spüren von solchen Fehlplanungen ist selbstredend in einem Grußwort, das den mit „Sommer Herbst 1956“ datierten ersten Katalog des „Versandhaus Leipzig“ einleitet und das in gewohnt realitätsfremd-optimistischer Wortwahl einmal mehr die vermeintliche Überlegenheit des sozialistischen Systems preist: „Der zweite Fünfjahresplan unserer Deutschen Demokratischen Republik mit seiner großen wirtschaftlichen Perspektive bietet die Gewähr dafür, unsere Handelstätigkeit entscheidend für die bessere Versorgung unserer Bevölkerung – vor allem auf dem Lande – auszuüben...und vorbildlich die Wünsche unserer werten Kunden zu erfüllen.“ Auf 64 Seiten im Din-A4-Format, davon acht in Farbe, präsentiert das Bestellverzeichnis „fotografisch naturgetreu nachgebildet…ein großes Mustersortiment bedarfsgerechter Qualitätswaren.“ Großen Raum nimmt dabei die zuvor angekündigte Kleidung insbesondere für Frauen ein. Innerhalb der Sparten „Modische Auswahl“, „Farbenfrohe Sommerkleider“, „Kleider, die man gern trägt“ und „Praktisch und formschön“ hat frau die Qual der Wahl zwischen Modell „Gudrun“ („Jugendliches Tanzkleid mit engem Blusenteil“), Modell „Karla“ („Dieses lustig bunt gemusterte Kleid ist der richtige Aufzug für den Sommertag“), „Margot“ („Einfach und doch vollendet“) und zwei Dutzend weiteren Kleidern, die mit in den 50ern geläufigen weiblichen Vornamen bezeichnet werden. Ähnlich wurde dies seinerzeit auch in den Katalogen der Bundesrepublik gehandhabt, sodass Unterschiede zwischen den entsprechenden Angeboten der beiden deutschen Staaten nur im ein oder anderen modischen Detail und in der Auswahl der abgebildeten Fotomodelle auszumachen sind, die für den DDR-Katalog ganz offensichtlich nach der Vorgabe ausgesucht wurden, „Menschen wie Du und Ich“ samt allen dazugehörigen figürlichen Unzulänglichkeiten zu verkörpern. Aber auch einige mit Städtenamen belegte Kostüme und Mäntel lassen eine Einordnung in Deutschland-Ost und Deutschland-West zu. So heißen die Modelle bei Quelle, Neckermann & Co beispielsweise Florenz, Lissabon, Palma oder Paderborn, während die Verantwortlichen beim Leipziger Versandhaus unter anderem auf Rostock, Jena, Erfurt und Warschau als Namenspaten zurückgreifen. Bestellt werden kann die Damenkleidung in der Regel in den Größen 36 bis 52, in einigen Fällen sind aber auch nur drei oder vier verschiedene Größen ab 40 lieferbar. Für deren individuelle Ermittlung steht den Käuferinnen eine abgedruckte „Maßtabelle für Damen- und Backfisch-Oberbekleidung“ zur Verfügung. Einen ungewöhnlich kundenfreundlichen Service bietet das Versandhaus bei der Schuhbestellung: „Sollten Sie Ihre Schuhgröße nicht mit der genauen Nummer angeben können, so bitte wir Sie, Ihren mit Strumpf bekleideten Schuh auf ein Stück Papier zu stellen und mit einem Bleistift zu umzeichnen. Die Skizze wollen Sie bei Ihrer Bestellung beifügen.“

Von Anfang an gehören umfangreiche Sortimente von Camping- und Sportartikeln zum festen Bestandteil der Kataloge, damit die Werktätigen „aktiv erholt in die neue Woche gehen“ können. „Sport = Spannkraft, Lebensfreude, Leistung“ heißt die Formel und “wer hat nicht den Wunsch, mit einem schnittigen Faltboot zu zweien sich die Schönheit unserer Gewässer und Seen zu erwandern?“ Genächtigt wird in einem „Gepäckgiebelzelt für 2-3 Mann“, das durch „Preiswürdigkeit, leichtes Gewicht und bewährte Konstruktion ein rechter Freudenbringer für Urlaub und Reise“ ist. Die Vorgabe „Jedermann an jedem Ort – einmal in der Woche Sport“ lässt sich mit dem „Tischtennis-Turnierspiel ´Luxus´“ oder einem „Baseball aus besten Gummiplatten“ erfüllen, für entspanntes Spielen kann „ein Gummitier zum Aufblasen“ geordert werden und für das leibliche Wohl sorgt schließlich der „in Leistung und Betriebsicherheit unübertroffene Sportkocher Juwel.“

Einige Seiten weiter findet der interessierte Betrachter dann DDR-spezifische Artikel: Auf insgesamt sechs Seiten mit Büchern wird in besonderem Maße das „Handbuch des Genossenschaftsbauern“ als „das Standardwerk für unsere Bauern“ herausgestellt. Wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit auf viele Bauern ein stetig wachsender Druck ausgeübt wurde, ihre Selbstverantwortung aufzugeben und sich den staatlichen „landwirtschaftlichen Produktionsgesellschaften“ (LPG’s) anzuschließen, grenzt es fast an Hohn, dass als Werbung für dieses Buch ausgerechnet eine lobende Rezension aus einer „Der freie Bauer“ betitelten Schriftenreihe herangezogen wurde. Die Seiten mit Fotoapparaten, Ferngläsern und anderen optischen Geräten hingegen geben Auskunft über die deutsch-deutschen Befindlichkeiten zum Ende der 50er Jahre. Um die qualitativ hochwertigen Erzeugnisse aus DDR-Produktion im Lande zu halten, war es laut einem entsprechenden Hinweis „nicht gestattet, diese Ware nach West-Berlin, Westdeutschland oder dem Ausland zu transportieren. Der illegale Transport wird nach geltenden Gesetzen bestraft.“ In späteren Katalogen sind Bestellung und Entgegennahme entsprechender Apparate sogar nur mehr gegen Vorlage des Ausweises möglich. Des Weiteren in „der idealen Auswahl“ des Katalogsortiments zu finden sind Schmuck, Produkte „Für Sauberkeit und Frische“, Musikinstrumente, „Kinderwagen in bester Ausführung“, Haushaltartikel, „Kleinmöbel in reichlicher Auswahl“, Fahrräder und „Spielwaren, die Freude bereiten“. Beim teuersten Posten handelt es sich diesmal um den Fernsehapparat „Rubens“ mit 360 X 270mm „großem“ Bildschirm, für den der DDR-Durchschnittsverdiener mit1354 DM rund drei Monatsverdienste investieren muss, wohingegen „Otto Normalverbraucher“ in Deutschland-West beim Kauf eines vergleichbares Gerätes um rund die Hälfte günstiger wegkommt. Begründet ist dies unter anderem aber auch damit, dass in der DDR durch bewusst überhöhte Forderungen für „Luxusartikel“ die staatliche Subventionierung für auf niedrigem Preisniveau gehaltene Grundnahrungsmittel und Wohnkosten finanziert werden sollte. Ebenfalls die 1000 DM Grenze überschreitet ein „selbstständig arbeitender Kühlschrank“, eine Waschmaschine hingegen sucht man nicht nur im ersten Katalog des „Versandhaus Leipzig“ vergebens.

Das neue Vertriebssystem wird in der DDR durchaus positiv angenommen, mit dem Warenangebot und nicht zuletzt mit eingängigen Werbesprüchen wie „Keine Zeit verlaufen – beim Versandhaus kaufen“ oder „Versandhaus Leipzig – mit jedem Paket Freude ins Haus“ treffen die Verantwortlichen offensichtlich den Geschmack der anvisierten Zielgruppe. Zweifler, die die „erprobten Waren – fachkundig für Sie ausgewählt“ nicht nur allein aufgrund von Katalogabbildungen kaufen mögen, versucht man mit Sonderverkaufsveranstaltungen und Modenschauen sowie einem von Ort zu Ort rollenden Verkaufswagen zu überzeugen, der eine Musterauswahl von im Katalog zu bestellenden Waren mit sich führt. So kann denn bereits „Der neue Katalog 1957“.

 

                                   

 

 

Versandhaus Leipzig - "Glückliche Kindheit" (1957)

im Rahmen der obligatorischen Begrüßungsworte von einer erfolgreichen Startphase berichten: „Unser ernsthaftes Bemühen um geschmackvolle Warensortimente von guter Qualität und um sorgfältige Bedienung wurde bereits im ersten Jahr unseres Bestehens durch das Vertrauen vieler, vieler Kunden belohnt.“ Doch auch ein Missstand kommt zur Sprache: „Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass wir trotz aller Bemühungen im vergangenen Jahre manchen Kundenwunsch nicht erfüllen konnten, weil unsere großen Warenvorräte für die starke Nachfrage nicht reichten. Unsere direkten Wareneinkäufe bei der Industrie sind deshalb für das Jahr 1957 umfangreicher ausgefallen.“ Die Zukunft wird jedoch zeigen, dass in diesem Fall der Wunsch der Vater des Gedanken ist, da solche oder ähnliche Versprechen von nun an in schöner Regelmäßigkeit immer wieder aufs Neue in den noch nachfolgenden Katalogen zu lesen sein werden und im Zusammenhang mit der DDR bald ironisch von der „Republik des verwalteten Mangels“ die Rede ist.

 

                                 
Versandhaus Leipzig - "Katalog Frühjahr Sommer 1958" Versandhaus Leipzig - "Festliche Kleider - für Sie ausgewählt" (1958)

 


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