Die Zeitschrift "Der Stern"
© Text / Fotos: Jörg Bohn / VG Wort/Wissenschaft - Erstveröffentlichung im Sammlermagazin TRÖDLER, Heft 10/2010
Bereits im Jahr 1948 erstmalig erschienen, gehört der „stern“ heute zu den Dinosauriern der deutschen Printmedienlandschaft. Wie nur wenigen anderen Publikumszeitschriften ist es dem Magazin im Laufe der Zeit gelungen, ein unverwechselbares Profil zu entwickeln und zu einem Markenartikel zu avancieren. In den Anfangsjahren befindet sich „Die große Illustrierte“ jedoch noch auf der – durchaus verfolgenswerten - Suche nach der eigenen Identität.
„Der Stern unserer Zeit ist kein extravaganter Star“, verkündet eine Textzeile auf dem Titelblatt des am 1. August 1948 zum ersten Mal in den Auslagen der zeitgenössischen Händler zu entdeckenden Blattes. Und auch wenn eine gewisse Doppeldeutigkeit durchaus beabsichtigt scheint, spielt diese Aussage nicht etwa auf die neue Zeitschrift „Der Stern“ selbst an, sondern bezieht sich auf den „natürlichen Anmut“ der auf dem Cover abgebildeten Schauspielerin Hildegard Knef, die gerade den Film „Ohne Titel“ abgedreht hat und zwei Jahre später durch eine kurze Nacktszene in dem „Skandalstreifen“ „Die Sünderin“ für großes Aufsehen sorgen soll. Die Zeitrechnung der Stern-Erfolgsgeschichte beginnt indes nicht erst mit diesem Heft, sondern nimmt schon etwa zwei Monate vorher ihren Lauf: Voraussetzung für die Herausgabe einer neuen Zeitschrift im von den Besatzungsmächten kontrollierten Nachkriegsdeutschland ist seinerzeit noch das Einverständnis der Alliierten, die die entsprechende Lizenzen vorzugsweise für kulturpolitische und literarische Projekte erteilen, welche die Reeducation, die Umerziehung der Deutschen zur Demokratie unterstützen sollen. Dem studierten Kunsthistoriker Henri Nannen, zu dieser Zeit gerade 35 Jahre gerade alt und bereits Mitherausgeber zweier Tageszeitungen in Hannover, schwebt jedoch eher „ein illustriertes Magazin für Erwachsene“ vor. Also schlägt er zu, als sich für ihn mehr oder weniger durch Zufall die Möglichkeit ergibt, das übliche Prozedere zu umgehen und eine bereits erteilte Genehmigung zu übernehmen. Diese „Zulassung Nr.109 der Militär-Regierung“. legitimierte bislang das Erscheinen eines Jugendmagazins namens „Zick-Zack“ und stand aufgrund eines internen Streites dessen bisheriger Verleger zur Disposition. Somit ist denn am 21. Mai in Heft 10 der Jugendzeitschrift erstmals „H. Nannen, Hannover“ als „Lizenzträger und Herausgeber“ verzeichnet, eine Ausgabe und damit 14 Tage später ist dann auch der von Nannen zu diesem Zweck neu gegründete Verlag notiert. Näheres hierzu ist im letzten erschienen „Zick-Zack“, dem 2. Juliheft mit der Nummer Nr.14 zu erfahren:
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„Es wird dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein, dass sich seit dem 11. Heft dieses Jahrgangs im Impressum auf der ersten Innenseite die Verlagsbezeichnung geändert hat. Es heißt dort nicht mehr einfach Zick-Zack-Verlag, sondern: Verlag Henri Nannen G.m.b.H.. Ein neuer Lizenzträger hat die Zeitschrift, wenn man so will, adoptiert.“ Bereits damals müsste eigentlich einem aufmerksamen „zwischen-den-Zeilen-Leser“ im weiteren Verlauf des Textes der Verdacht gekommen sein, dass Nannen die Übernahme wohl einzig aus dem Grund in die Wege geleitet hatte, um, wie bereits angedeutet, durch die Hintertür ein Magazin nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können: „Mitunter kann aus einem bloßen Zick-Zack ein richtiggehender Stern werden. Das ist eine Frage der Geschicklichkeit oder des glücklichen Zufalls. Nun, lieber Leser, das Glück sollst Du haben. Vom nächsten Heft an heißt diese Zeitschrift nicht mehr Zick-Zack, sondern Stern.“ Die im Anschluss folgende Aufzählung der geplanten Änderungen entpuppt sich als ein komplettes Umkrempeln des bisherigen Blattes und gibt Auskunft über die selbst auferlegten Ansprüche des in den Startlöchern stehenden Nachfolgers: „Die Zeitschrift wird nicht nur ihren Namen, sondern auch ihre Form verändern. Sie wird ein ausgewachsenes Format haben, also größer sein als bisher. Der Stern soll eine Zeitschrift sein, die sich sehen lassen kann.“ Weil Henri Nannen sich von der Neugestaltung offensichtlich eine Steigerung des Verkaufserfolges verspricht, wird „der Stern daher nicht (wie „Zick-Zack“) vierzehntägig, sondern allwöchentlich erscheinen.“ Zudem soll die Zielgruppe erweitert werden: Wie sein Vorgänger „wird der Stern ebenfalls eine Zeitschrift für junge Menschen sein. Aber in einer Zeit, in der“, bedingt durch die verlorenen Jahre des Krieges, „die 16jährigen neben den 25jährigen auf der Schulbank sitzen, in der die Ehemänner noch studieren und die Familienväter in die Lehre gehen, ist der „junge Mensch“ ein dehnbarer Begriff geworden. Wenn also der Stern von jungen Menschen spricht, so meint er damit nicht einen bestimmten Jahrgang. In Wirklichkeit bestimmen ja nicht die Runzeln oder gar der Bart das Alter, sondern die geistige Wendigkeit oder eben die Verkalkung.“ Auch das charakterliche Idealprofil der anvisierten Zielgruppe wird umrissen: „Der Stern wünscht sich als Leser nicht den (noch immer nicht ganz ausgestorbenen) Jawohl-Sager und auch nicht den Wiederkäuer irgendeiner nach einem patentierten Rezept verabreichten geistigen Nahrung, sondern den kritischen, gerade durch unsere dunkle Zeit hellwach gewordenen jungen Menschen, der sich nicht gleich jede Jacke anzieht – auch wenn er gar keine mehr besitzt.“
Vier Jahrzehnte später ist die eingangs angedeutete „Überlistung“ der Lizenzgeber zu einer Nannen-typischen, möglicherweise ausgeschmückten, allemal aber erzähl-tauglichen Anekdote gereift, die der Publizist in der Jubiläumsausgabe „40 Jahre Stern“ zum Besten gibt: Er meldete sich also beim Verantwortlichen der Alliierten an und „machte ihm klar, dass das vierzehntägliche Erscheinen von Zick-Zack eine dumme Sache sei, weil der Leser nie wisse, ob nun an diesem Donnerstag oder erst am nächsten die neue Nummer erscheine, außerdem sei das Format der Zeitschrift zu klein, stattdessen sollte man den Umfang lieber von 32 auf 16 Seiten eindampfen und zu wöchentlichem Erscheinen übergehen. Und schließlich fragte ich ihn, ob er wisse, dass Zick-Zack eigentlich ein Nazi-Titel sei, mit einem Anklang an "zackig" und an den Hitler-Jugend-Kampfruf "Zicke-zacke-zicke-zacke-hoi-hoi-hoi". Das passe ja wohl schlecht zum Konzept der demokratischen Umerziehung.“ Um nicht in den Verdacht zu geraten, dass er die Umgestaltung bereits bei der Lizenzübernahme im Hinterkopf hatte, versucht Nannen, seinen Gesprächspartner glauben zu machen, dass er noch auf Titelsuche für das neue Projekt wäre: Den Deutschen „kann man doch keine Kinderzeitung vorsetzen, denen sollte man eher so etwas wie den Stern einer neuen Hoffnung zeigen – warten Sie, Commander – STERN, wäre das nicht ein guter Titel?“ Nun wäre der letzte Teil dieser Anekdote nicht unbedingt zitierenswert, wenn er sich nicht 10 Jahre später im nächsten Stern-Jubiläumsrückblick wiederfinden würde. Dort ist den Machern jedoch offenbar der witzig-ironische Unterton der Geschichte entgangen und derart erweist sich die entsprechende Textstelle als famoses Beispiel dafür, wie Personen und Ereignisse im Laufe der Zeit verklärt werden können. So ist denn also dort über Henri Nannens Beweggründe pathosschwanger zu lesen: „In den schweren Nachkriegszeiten wollte er den Menschen so etwas wie einen Stern der Hoffnung zeigen.“
Auf jeden Fall erschien die erste Ausgabe des Stern gut getimt am 1.August 1948, sechs Wochen, nachdem am 21.Juni im Zuge der Währungsreform in den drei westlichen Besatzungszonen mit der DM ein neues Zahlungsmittel einführt wurde, das endlich wieder einen reellen Wert darstellte und mit dem man folglich „richtiges“ Geld verdienen konnte. Natürlich ist „der Tag X“ der Währungsreform mit der daraus resultierenden drastischen Abwertung aller privaten Spar- und Barvermögen auch eines der Hauptthemen auf den 16 Seiten des ersten Heftes:
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„Wir sollten uns längst klar darüber sein, dass wir arm geworden sind – und zwar alle, ohne Ausnahme. Im Grunde ist die Währungsreform nichts anderes als eine längst fällige Bestandsaufnahme. Niemand sollte auf einmal anfangen zu schreien, wie schlecht es ihm geht. Er beweist damit nur, wie gut er bisher sein schwarzes Geschäft verstanden hat.“ An anderer Stelle verbreitet eine Leserzuschrift Optimismus und Aufbruchstimmung: „Wie haben wir uns diesen Tag gewünscht! Wir, die nichts „tauschen“ konnten, die nichts zu „kompensieren“ hatten…Was es auf einmal alles gibt: Ich sitze im Büro und arbeite wieder mit Lust und Laune. Jetzt können wir uns wieder hochrappeln.“ Die Tatsache, dass die Schaufenster der Händler quasi „über Nacht“ wieder gefüllt sind, stößt jedoch auf Unverständnis: „Wer hat schuld?“ ist eine Rubrik überschrieben, die die Moral der Geschäftsleute in ein schlechtes Licht rückt, indem sie hinterfragt, warum „auf einmal genügend Gemüse zu kaufen ist? Wo war es denn vorher?“ Warum „erst jetzt die Eier frei zu kaufen sind? Haben die Hühner vor der Währungsreform weniger gelegt?“ Oder warum „man heute Betten kaufen kann, während bisher noch nicht einmal ein Bett für den Heimkehrer zur Verfügung stand, selbst wenn er einen Bezugsschein gehabt haben sollte?“ Zweites Schwerpunktthema sind der „Amtsschimmel“ und die damit verbundenen „langen Leitungen“ sowohl der alliierten als auch der deutschen Bürokratie. Diese werden in einem beispielhaft angeprangerten Fall dafür verantwortlich gemacht, dass durch fehlende Genehmigungen zum Weitertransport ein kompletter, mit Käse beladener Eisenbahnwaggon „den Maden zum Opfer fiel“.
Nicht wenige der Stern-Artikel sind von einer unterschwelligen Ironie durchzogen, die an manchen Stellen aber auch ganz offensichtlich zu Tage tritt, um sich mitunter sogar bis zum Sarkasmus zu steigern: „So was soll uns nicht noch mal passieren: 1 Trillion Dollar hat der zweite Weltkrieg gekostet. Mit der Atombombe kommt die Sache schon sechsmal billiger. Noch preiswerter…wird die Angelegenheit, wenn erst die neue biologische Waffe angewandt wird. Ein paar Gramm in die Luft gepustet, und 200 Millionen Menschen fallen auf der Stelle tot um. Das hat gegenüber der Atombombe wesentliche Vorteile (Natürlich nicht für die Umgefallenen.).“
Die bebilderte Rubrik „Man spricht auf unserem Stern…“ berichtet davon, dass man in New York über die Versteigerung von Hitlers Privatauto spricht, „in Berlin von den Kalorienbombern und den fliegenden Männern, die Tag und Nacht unterwegs sind, um die Insel der Demokratie zu versorgen“ und „in Paris, wie immer, von schönen Frauen und Kleidern.“ Großzügiger Platz wird der Fortsetzungsgeschichte zugemessen, die damals – zumeist in Romanform - ein ausgesprochen beliebter und aus Gründen der Leserbindung auch nahezu unverzichtbarer Bestandteil einer jeden populären Zeitschrift war. „Versucht’s noch mal mit uns“ ist der Tatsachenbericht eines 17jährigen, der kurz vor Kriegsende „notdienstverpflichtet“ wird und die letzten Wochen vor dem Zusammenbruch aufarbeitet. „Was dabei entstand, ist noch keine Literatur. Es ist weder ein Roman noch eine Reportage. Aber es ist ein Dokument.“
Bereits mit Heft 6 verschwindet der anfänglich vom „Zick-Zack“ übernommene Untertitel „Die illustrierte Zeitschrift für junge Menschen“. Im Jahr darauf ist dann „Der Stern“ offenbar, wie von Nannen angestrebt, „Die grosse Illustrierte“ geworden und somit ist dieser Zusatz auch auf dem Cover zu finden. Schildernswert ist sicherlich noch, soweit bekannt, die Entstehungsgeschichte des Erkennungszeichens des Blattes. Der in einem späteren Stern-Rückblick verbreiteten Legende nach wurde das Stern-Emblem auf der Titelseite „von der Frau des stellvertretenden Chefredakteurs mit der Schere zurechtgeschnibbelt“. Ob dies wahr ist oder ob es sich hierbei nur um eine hübsche, im Nachhinein erdachte Geschichte handelt, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Höchst wahrscheinlich ist jedoch, dass das endgültige Erscheinungsbild von Logo inklusive dazugehörigem Schriftzug erst in allerletzter Minute festgelegt wurde, da nur zwei Wochen vor dem ersten Erscheinen in der bereits erwähnten Vorankündigung des Zick-Zack noch ein vierzackiger Stern zu sehen ist und auch die Schrift noch nicht den charakteristischen Zug der Endfassung aufweist, sondern aus nicht miteinander verbundenen Einzelbuchstaben besteht. Inwieweit es sich bei beidem überhaupt um komplette Neuschöpfungen handelt, ist indes noch eine ganz andere Frage. Denn bereits in den 20er und 30er Jahren existierten diverse Blätter gleichen Namens, von denen ein in den Jahren 1938 und 39 erschienenes, sehr erfolgreiches Filmjournal mit der immensen Auflage von „über 750000“ bereits diverse Elemente der Nannen-Schöpfung „vorwegnimmt“. Herausgeber des „Vorkriegsstern“ war der vor allem durch seine Sachbücher bekannte Dr. Kurt Zentner. „Zentner und Henri Nannen kannten sich gut“, hat der Autor Nils Minkmar in einem in „Die Zeit“ nachzulesenden Interview erfahren, das er mit Zentners Sohn Christian führte. „Ein halbes Jahr lang war er sogar Nannens Stellvertreter beim neuen Stern. Ob und wie sich die beiden über ihr gemeinsames Kind unterhielten, ist nicht bekannt. In der Familie von Kurt Zentner, der 1974 starb, wurde nur selten über den Stern gesprochen. Sein Sohn Christian weiß aber noch: "Meine Mutter hat sich immer ein bisschen aufgeregt, dass der Nannen das nachgemacht hat. Aber meinen Vater hat das nicht interessiert." Da das Prozedere der Namensfindung also nicht mehr eindeutig geklärt werden kann, sei das Urteil, ob es sich denn nun um eine zufällige Ähnlichkeit handelt oder ob möglicherweise „alles nur geklaut“ war, in diesem Fall jedem Betrachter selbst überlassen.
Im Hinblick auf die Auswahl der Titelbilder jedenfalls befindet sich der „neue“ Stern anfangs noch unverkennbar auf der Suche nach einer klaren Linie. Nach dem Knef-Filmfoto findet der Leser auf dem Cover der zweiten Ausgabe einen amerikanischen Olympioniken („Der Onkel aus Amerika trifft im Olympiadorf Uxbridge, einem Vorort von London ein. Douglas Ellwood weiß anscheinend, dass auch in London die meisten Dinge noch rationiert sind…und hat sich alles, was er braucht, gleich mitgebracht“), trifft danach auf die Leinwandgröße Margot Hielscher plus Schäferhund, den amerikanischen Filmschauspieler Pieter van Eyck, „der neuerdings auch in deutschen Filmen, die am Geiselgasteig gedreht werden, mitspielt“, eine belgischen Schönheitskönigin sowie einen kauzigen Bettler, der im Film „Berliner Ballade“ eine Statistenrolle übernommen hat. Offenbar ziehen solche „Experimente“ aber nicht den gewünschten Erfolg nach sich, da man für den Rest des Jahres auf Nummer sicher geht und die nun folgende Galerie weiblicher Film- und Gesellschaftsschönheiten lediglich von einer „sicheren Bank“ wie Heinz Rühmann unterbrochen wird. Allein die Weihnachtsausgabe bietet noch einmal ungewöhnliches: Als Karikaturen sitzen der sowjetische Außenminister Molotow, sein britisches Pendant Bevin sowie Marshallplan-Administrator Hoffman, allesamt Schlüsselfiguren bezüglich der Zukunft der Besatzungszonen, auf einer Wolke und grüßen als Friedensengel. Die Gesichter dieser heutzutage kaum mehr bekannten Politiker waren den Zeitgenossen offenbar so geläufig, dass darauf verzichtet wurde, die Dargestellten namentlich zu kennzeichnen.
„Gemacht“ wird der Stern mit Nannen als Herausgeber und Gerd Klaass als Chefredakteur in einem von Bomben in Mitleidenschaft gezogenen Haus in Hannover. Das Redaktionsbüro ist „im ersten Stock – hinter einer Zeltplane, weil die Wand eingestürzt war…Wir waren sechs Leute…und schrieben über alles, was uns selbst interessierte. Den Leser, verdammt noch mal, müsste das doch auch interessieren“, erinnert sich Günter Dahl, vom „Zick-Zack“ übernommener Redakteur und ursprünglich nach eigener Darstellung nur zu dieser Stellung gekommen, weil er in den Mangeljahren nach dem Krieg etwas so rares wie eine Schreibmaschine besaß und vom Zick-Zack“ vertraglich dazu verpflichtet wurde, diese „der Redaktion zur Nutzung zu überlassen.“ Trotz einer ansehnlichen Auflage von rund 130000 Exemplaren bleibt das Geld knapp. Nach einer „finanziellen Spritze“ eines „rheinischen Radiogroßhändler und eine Bank in Essen“ zieht der Verlag für einige Monate nach Duisburg um, eine endgültige Übernahme scheitert jedoch an der verlegerischen Unerfahrenheit der Finanziers.
In vielen Rückschauen kommt der Stern der ersten Jahre im Bezug auf seine inhaltliche Qualität nicht sonderlich gut weg. Nannen selbst bezeichnete ihn später, wohl eher abwertend gemeint, als „Illustrierte alter Art“ - vielleicht auch nur, um damit die spätere Wandlung zum niveauvollen politischen Magazin stärker herauszustellen. Andere Meinungen („ein Klatsch- und Unterhaltungsblatt, ohne politischen Anspruch“) zeugen jedoch entweder von einer nur oberflächlichen Lektüre des kritisierten Objekts oder aber von Schlechtmacherei um des Effektes willen. Denn natürlich ist ein als Publikumszeitschrift konzipiertes Blatt an einer möglichst hohen Auflage interessiert und bedient daher in erster Linie den Massengeschmack. Auf der anderen Seite aber erschienen im Stern von Beginn an durchaus Artikel von „politischem Anspruch“, die zudem bisweilen mit einer sprachlichen und inhaltlichen Schärfe aufwarteten, wie sie in anderen populären Zeitschriften dieser Zeit selten oder gar nicht zu finden waren. Als ein Beispiel unter vielen sei der folgende, sich auf damalige Kampfhandlungen in Griechenland und Spanien sowie den sich anbahnenden Korea-Krieg beziehende Text angeführt: „Nie zuvor wurde so viel und so laut vom Frieden gesprochen wie in unserer Zeit. Nie zuvor wurde so viel und so unverblümt gewaltsam gestorben wie in unserer Welt. Die Sonne, die durch die hohen Fenster der Staatspaläste auf manikürte Hände und rosige Nacken von friedensverheißenden Politikern, Diplomaten und Generälen fällt, die gleiche Sonne hat tagtäglich Mühe, das Blut deren Opfer aufzutrocknen. Die Menschen sterben einzeln, sie sterben in Klumpen. Meistens in Klumpen, weil Menschen ziemlich billig sind.“ Illustriert wird der Bericht unter anderen mit dem Bild eines Soldatenfriedhofs, auf dem „drei Frauen vor einem Holzkreuz weinen.“ Auf der gegenüberliegenden Seite des Magazins, unmittelbar neben dem beschriebenen Foto, können dann „die Jüngerinnen des großen französischen Modeschöpfers Jaques Fath seine neuesten Schöpfungen bewundern, die er zu einer Fernsehpremiere herausgebracht hat. – Schwarzer, geraffter Jersey findet einen raffinierten Abschluss in plissiertem Tüll….“ In einem anderen Heft folgt unmittelbar nach einer Reportage mit dem drastischen Titel „arbeiten – verrecken - verscharrt werden“ über „den ausweglosen Kreislauf, den man in den sowjetischen Kriegsgefangenenlagern das Leben nennt“ der Bericht über die schillernde Hochzeit vom „US-Fernsehstar Nr.1“. Den heutigen Betrachter sprachlos zurücklassende Gegensätze wie dieser sind es, die den Stern in seinen ersten Jahren ausmachen und damit auch die in weiten Kreisen der Bevölkerung vorherrschende Stimmung der Nachkriegsjahre widerspiegeln. Es ist eine geradezu unwirkliche Stimmung, da viele das Geschehene immer noch nicht richtig erfassen können oder auch wollen und dennoch täglich davon eingeholt werden - und versuchen, es zu verdrängen, indem sie sich in Ablenkung und in die Hoffnung auf eine bessere Zukunft flüchten. Diese Ansprüche erfüllt der Stern und so findet der Leser in dem Blatt eine bunte Mischung von ambitionierter Berichterstattung und leichter Unterhaltung, wobei letztere natürlich ein deutliches Übergewicht besitzt. Nichtsdestotrotz gehört das Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen zu den am häufigsten behandelten Themen dieser Jahre, ebenso wie die isolierte Lage Berlins und die Situation im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands: „Wie lebt die Ostzone wirklich? Nach Indien und Afghanistan, nach Persien und auf die Molukken sind seit jeher die Bildreporter der großen Zeitungen gefahren…Aber hundert Kilometer östlich von Hamburg, Hannover, Kassel oder Bamberg – da beginnt heute die „terra incocnita“, das Unbekannte, die Gefahr.“ Viel Platz wird auch den politischen Leitartikeln von Chefredakteur Klaass eingeräumt, für die anfangs eine komplette Heftseite zur Verfügung steht.
Immer wieder ist der Stern an der Aufdeckung von kleinen oder größeren Skandalen beteiligt und prangert Arroganz, Willkür oder Korruption in den deutschen wie auch in den alliierten Schaltzentralen an. Den diesbezüglichen vorläufigen Höhepunkt lieferte 1950 in Heft 52 die Titelgeschichte „Hoppla, wir leben auf Besatzungskosten“. Dort erfuhren die Stern-Leser unter anderem, dass der auf Schloss Waldhausen bei Mainz residierende französische Militärgouverneur sich einen 85000 Mark teuren Schreibtisch leistet, seine Ehefrau in einem mit edlen weißen koreanischen Ziegenleder ausgeschlagenen Bett nächtigt und dass die Besatzer auf Kosten der Besiegten „für 4,2 Millionen Mark Glühbirnen anschaffen ließen, auf die sie in Siegerlaune mit Flinten und Revolvern ballerten.“ Das ging den derart Bloßgestellten jedoch zu weit, sodass die kaufwilligen Zeitschriftenleser im Januar statt der neuen Ausgabe ihres Magazins ein Plakat mit der Aufschrift
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„Der Stern in dieser Woche verboten“ erwartete, das „im Kleingedruckten“ auch gleich die Begründung für diesen Umstand lieferte: „Es hätte gewiss keines Beweises mehr dafür bedurft, dass der Stern kompromisslos den deutschen Standpunkt vertritt…Nun hat es die Alliierte Oberkommission für richtig befunden, Ihnen, liebe Leser, den vertrauten Stern in dieser Woche vorzuenthalten…Die Besatzungsmächte haben…eine Schädigung ihres Ansehens und eine Gefährdung ihrer Sicherheit gesehen. Die von uns veröffentlichten Zahlen und Tatsachen wurden dabei nicht bestritten…“. Die Zeitschrift übersteht diese kritische Phase, weil die ursprüngliche Verbotszeit von zwei auf eine Woche reduziert wird und weil ihr die Anzeigenkunden die Treue halten. Dennoch bleibt die Finanzdecke offenbar recht dünn, sodass Nannen seinen Verlag zwischen 1949 bis 1951 in Etappen an den Verleger Gerd Bucerius (insgesamt 87,5 Prozent) und den Druckereibesitzer Richard Gruner verkauft, worüber er sich danach jedoch Zeit seines Lebens grämen sollte. Zum einen, weil Bucerius den Stern als Geld-Melkkuh für sein verlustbringendes Prestigeobjekt „Die Zeit“ benutze, zum anderen, weil es zwischen den grundverschiedenen und nun zur Zusammenarbeit „gezwungenen“ Charakteren regelmäßig zu heftigen Kontroversen kam. Und nicht zuletzt, weil das immer erfolgreicher werdende Magazin recht schnell einen gewaltigen Wertzuwachs erfuhr, der den ausgehandelten Verkaufspreis bald um ein Vielfaches überstieg.
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Max Schmeling / Winnie Markus
| | Margot Hielscher
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In den folgenden Jahren begleitet der Stern den interessierten Betrachter anschaulich durch das sich anbahnende deutsche Wirtschaftswunder. Zunächst einmal aber weiß 1951 das Heft Nr.13 über sensationelle Entwicklungen zu berichten: Auf dem Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel wird in Wort und Bild ein VW-Käfer mit aufgesetztem Hubschrauber-Rotor als „Lufttaxi“ vorgestellt, im Kriegsbedingt fast völlig verödeten Berliner Stadtpark Tiergarten kann das Wachstum der Bäume mit Hilfe eines bei der Uranspaltung anfallenden Nebenproduktes um ein Vielfaches beschleunigt werden und ein in der Titelgeschichte vorgestellter, neu gezüchteter „Nylon-Käfer“ ist in der Lage, „durch Rüsselbewegungen und gleichzeitige Absonderung eines Sekretes Laufmaschen zusammenzuziehen“. Den Grund dafür, warum diese bahnbrechenden Neuheiten heutzutage gänzlich unbekannt sind, liefert ein Blick auf den Erscheinungstag dieser Ausgabe: 1.April!
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„Wahre“ Höhepunkte der Berichterstattung und des Leserinteresses sind in den nächsten Jahren dann die Heirat der deutschstämmigen Fürstentochter Soraya mit dem dadurch hierzulande legendär gewordenen „Schah von Persien“, der blutig niedergeschlagene Volksaufstand in der DDR, der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft oder aber die Filmkarrieren und privaten Abenteuer von Schauspielerinnen wie Romy Schneider, Sophia Loren, Marilyn Monroe – und natürlich Hildegard Knef, mit der Nannen für eine Zeitlang wohl mehr als nur Freundschaft verband, worüber im Stern aber ausnahmsweise nichts zu lesen war.
Auch der im Verlauf der 50er stetig wachsende Wohlstand der Westdeutschen ist an Themen wie „Ein eigenes Haus“ oder den diversen Auto-Vorstellungen abzulesen und spiegelt sich ebenfalls in der Werbung wider. Bedarf ist vorhanden, wie die Umfrageergebnisse der Fachpublikation „Die Zeitschriftenleser“ zeigen, die über die nackten Zahlen hinaus aufschlussreiche Auskunft über die damaligen Lebensumstände geben. So besitzen 1958 zwar mittlerweile 95 Prozent der Stern-Leser ein Radio und ein elektrisches Bügeleisen, aber lediglich ca. 22 Prozent eine elektrische Waschmaschine oder etwas heutzutage so selbstverständliches wie einen Kühlschrank. Nur 17 Prozent der Leser haben ein Telefon, 17 Prozent verfügen über einen eigenen PKW und gar nur 9 von hundert haben zuhause einen Fernseher. Immerhin liegen die Stern-Leser damit aber im Durchschnitt. Ganz weit oben angesiedelt in dieser Statistik der „Besitzer von Gütern des gehobenen Bedarfs“ sind übrigens die Leser des „Rheinischer Merkur“ und der „ADAC-Motorwelt“.
Insgesamt tendiert der Stern zur Mitte des Jahrzehnts hin deutlich mehr zur Boulevard-Berichterstattung, etliche Themen werden nur oberflächlich oder gar sensationsheischend behandelt. Den Verkaufszahlen tut dies keinen Abbruch, im Gegenteil überschreitet die Auflage des Stern Ende 1958 erstmals die Millionengrenze, die Zahl der Leser steigt sogar auf über 4,5 Millionen.
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1958, Romy Schneider
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| | 1959, Romy Schneider / Curd Jürgens
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1959 leitet ein modernisiertes Logo, das heute nach wie vor Gültigkeit hat, eine neue Ära ein – „Der Stern“ heißt nun „stern“. Nannen verstärkt die Bemühungen, aus dem Unterhaltungsmagazin eine politische Illustrierte zu machen. Der „stern“ sollte ein "Forum für erwachsene und durchdachte Meinungen" sein – natürlich ohne dabei seinen verkaufsträchtigen massenkompatiblen Unterhaltungscharakter zu verlieren. Zwar überwiegen auf den Titelblättern immer noch die Portraits mehrheitlich weiblicher Stars und Sternchen, doch zunehmend sind dort nun auch Ereignisse der Zeit wie die Mondlandung und die Kennedy-Attentate zu finden, ebenso bildlich in Szene gesetzte Sachthemen wie „Billige Autos aus Japan“ oder eine „Umfrage in die Intimsphäre“. Im Innenteil gewinnen die Reportagen an Qualität und werden nun immer aufwändiger bebildert. Das Konzept geht auf und sorgt für stetig steigende Auflagenzahlen, die im 1. Quartal 1967 mit 1.931.438 Exemplaren ihren Höhepunkt in der mittlerweile über 60jährigen Geschichte der Zeitschrift erreichten.
Wer sich auf eine Zeitreise in die 50er Jahre und darüber hinaus begeben und den Stern sammeln möchte, wird reichlich fündig. Da er über weite Strecken eine der oder sogar die auflagenstärkste deutsche Zeitschrift war, tauchen alte Hefte noch recht häufig auf. Naturgemäß nimmt diese Häufigkeit ab, je weiter es zeitlich zurückgeht. Die Preise halten sich in Grenzen, nicht selten sind einzelne Hefte für einen Euro oder, beim Kauf von Konvoluten, sogar für weniger zu erstehen. Lediglich wenn viel gesammelte Stars wie beispielsweise Marilyn Monroe, Marlene Dietrich, Romy Schneider oder die Beatles auf dem Cover abgebildet sind, schnellen die Preise mitunter in die Höhe und übersteigen insbesondere im Rahmen von Internetauktionen auch schon einmal die 25-Euro-Grenze. Vorsicht geboten ist bei vor allem in „virtuellen Auktionshäusern“ recht häufig zu entdeckenden „Erstausgaben“, die auf den entsprechenden Angebots-Abbildungen nicht vom Original zu unterscheiden sind. Dabei handelt es sich jedoch in den allermeisten Fällen um Nachdrucke, die im Laufe der Zeit diversen Stern Jubiläumsausgaben beilagen. Schnelle Klarheit bezüglich deren Echtheit bringt eine Nachfrage nach dem Format: Während das Vorbild im zeittypischen Großformat stattliche 27,5 x 38cm misst, kommen die Kopien mit 21 x 28,5cm lediglich auf knappe Din-A4 Größe. Ab Heft 24/1953 war im Stern eine mangels entsprechender Maschinen per Hand beigelegte und „Sternchen“ betitelte Beilage für Kinder zu finden, in der Basteltipps, Kindgerechte kurze Beiträge oder die mittlerweile legendären Comicstrips „Jimmy das Gummipferd“ von Roland Kohlsaat und „Reinhold das Nashorn“ von Loriot zu entdecken waren. In den allermeisten Fällen ist diese Zugabe (damaliger Slogan: „Kinder haben Sternchen gern – Sternchen ist das Kind vom Stern“) nicht mehr in den alten „Sternen“ vorhanden und avancierte daher bereits zu einem eigenen Sammelgebiet. 1961 gab es dann statt der separaten Beilage eine für Kinder reservierte Doppelseite innerhalb des regulären Stern-Heftes.
Hierzulande recht wenig bekannt ist, dass der Stern in den Jahren 1951 (ab Heft 4) bis 1975 (Heft 28) in Wien mit einer eigenen Redaktion vertreten war, die eine spezielle österreichische Ausgabe zusammenstellte. Diese hatte überwiegend die gleichen Titelblätter, war aber weniger umfangreich, weil etliche Deutschland-spezifische Artikel weggelassen wurden und beinhaltete zudem weniger und überwiegend auf den dortigen Markt zugeschnittene Werbung. Ferner unterschied sie sich durch eigene Leserbriefseiten und natürlich später durch den Abdruck des ORF-Fernsehprogramms. Einige Ausgaben mit besonders für Österreichische Leser interessanten Themen bekamen auch eigenständige Cover, so zum Beispiel anlässlich der Starts neuer Serien wie „Im Schatten des Doppeladlers – das Schicksal des Hauses Habsburg“ oder über „Kronprinz Rudolf“. Bei einigen anderen Eigenproduktionen, wie beispielsweise einem Titelbild mit der in der Bundesrepublik nicht weniger populäreren Brigitte Bardot, lassen sich die Beweggründe für die unterschiedlichen Aufmacherfotos jedoch nicht nachvollziehen.
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1968, Brigitte Bardot | | 1962, Senta Berger
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Ab Februar 1962 ging die Wiener Illustrierte im Stern auf, anfangs erkennbar durch deren rotes Logo unter dem Stern-Schriftzug, später durch einen schlichter gestalteten Co-Titel.
Abschließend sei auch an dieser Stelle noch die unvermeidliche, mit Abstand am häufigsten zitierte, im Laufe der Zeit veränderte und aufs Erzählformat zurechtgeschliffene Nannen-Anekdote wiedergegeben. Auf die Frage: „Herr Nannen, ich bewundere, wie Sie jede Woche den Geschmack von Lieschen Müller treffen. Wie machen Sie das nur?“ antwortete dieser: „Das ist doch ganz einfach: Ich bin Lieschen Müller.“
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1957, Lilo Pulver
| | 1957, Horst Buchholz / Romy Schneider
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1957, Audrey Hepburn
| | 1957, Sophia Loren
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